Als aufmerksamer Leser des Wahrschauers hat man schon in der letzten Ausgabe die Kritik des wunderbare Plattendebüts 'How Bees Fly' gelesen und sich dann auf dem schnellstmöglichen Weg in den Plattenladen begeben. Hazeldine bringen aber nicht nur das Glück auf den Plattenteller und damit in die heimischen Wohnstuben, sondern nun auch schon zum zweitenmal in die Clubs der näheren Umgebung. Drei Frauen und ein Mann versetzen einem mit ihrer Musik einen warmen Stachel mitten ins Herz. Country für Jedermann, aber nicht Mainsream. Country für Menschen die Country hassen und dazu Blues, Gospel und Punk. Der Mann, Jeffrey Richards ist hauptsächlich für das Schlagen des Taktes zuständig. Bei einigen Songs steuert er auch seine Gaben an Banjo und Gitarre bei. Schon seit seiner Kindheit träumt er davon, einmal in einem Pickuptruck zu fahren und seine eigenen Lieder über das Autoradio zu hören. Jedoch nicht dieser Träumer sondern die drei Frauen sind die Träger der Hosen von Hazeldine. Anne Tkach hält sich singender und Baß spielender Weise mehr im Hintergrund auf. Aber Tonya und Shawn sind nicht in den Hintergrund zu denken. Beide Singen und spielen Gitarre. Tonya heißt mit Nachnamen Lamm. Von ihrem Namen auf Charaktereigenschaften zu schließen, wäre jedoch ein schwerer Fehler. Erst vor kurzem durfte mal wieder ein Fotograf die Spitzen ihrer Stiefel spüren, als dieser trotz mehrmaliger Mahnung nicht aufhörte ungewünscht seiner Berufung nachzugehen. Auch Shawn Braton versteht es als gestandene Frau von Schmerzen aus tiefster Seele, von Enttäuschungen, von unerfüllter und nicht erwiderter Liebe zu singen. Als Zuhörer erkennt man ständig selbst Erlebtes und Gefühltes wieder und ist dankbar hier ein Sprachrohr bzw. ein Gesangsmikrophon gefunden zu haben, daß die Klagen aufnimmt und einem selber nichts mehr zu jammern übrigbleibt. Balsam für die Seele. Die heilsame Wirkung kommt jedoch nicht von irgend wo, sondern wird täglich von Hazeldine auch auf Grund des Eigenbedarfs neu erarbeitet. Auch innerhalb der Gruppe ist genug Zündstoff der Schlichtung Bedarf. Tonya und Jeffrey waren über zehn Jahre lang ein Paar, glücklich oder nicht, jedenfalls gehört diese Tatsache der Vergangenheit an. Diese Vergangenheit scheint jedoch noch lange nicht bewältigt zu sein, so daß hieraus arge Kommunikationsprobleme entstehen und sich Hazeldine zum Teil als tourendes Spannungsfeld sieht. Aus diesem Spannungsfeld heraus wird aus Country plötzlich Punk und aus konservativen, traditionellen Klängen die reinste Rebellion. Der Drang nach Austausch zeigt sich auch im Gespräch mit den drei Frauen: In Albuquerque, New Mexico sei so viel Raum, daß die Menschen nicht gezwungen sind aufeinander einzugehen, sondern in Konfliktsituationen sich in immer neue Räume flüchten können. Niemand habe den Austausch daher wirklich erlernt und jeder fühle deshalb eine tiefe Einsamkeit in sich. Aber auch bis Albuquerque reicht das Internet und unter http://www.unm.edu/~navaro kann man lesen, was die Damen von Hazeldine beschäftigt und wenn sie vermissen. Jeffrey hingegen behält solch Dinge lieber für sich, aber wenn man Tonya glauben darf war das schon immer so. Mit anderen männlichen Musikerkolegen findet der Austausch dafür um so reger statt. Howe Gelb alias Giant Sand steht ganz hoch im Kurs der zu bewundernden Männer bei Hazeldine. Gut miteinander befreundet sind sie, aber sehen sich leider viel zu selten. Während der Touren steht man entweder kurz vor oder kurz nach den Freunden auf den Brettern der selben Bühne. Und tatsächlich, zwei Wochen später freute sich Howe sehr über die ihm ausgerichteten Grüße. Ohne Böses wünschen zu wollen, kann ich nur hoffen, daß die Mitglieder von Hazeldine nie finden werden wonach sie suchen. Ansonsten hätte ich Angst, daß auch sie nicht mehr fähig wären ihre Sehensüchte in so wunderschöne Musik umzusetzen. Matthias Schlede